Weitwanderung auf dem Alpe-Adria-Trail Teil 1

Weitwanderung auf dem Alpe-Adria-Trail Teil 1

Teil 1 – Auf zu neuen Abenteuern

Deutschland – Heiligenblut

Es ist der 04. Juni 2023 und ich stehe an einem Bahnhof in der Nähe von Stuttgart. Neben mir mein vollgepackter Rucksack, darin ist alles was ich die nächsten Wochen benötigen werde. Ich möchte den Alpe-Adria-Trail wandern. Eine Weitwanderung über drei Länder, 700 Kilometer vom Großglockner in Österreich bis nach Triest in Italien.

Der Alpe-Adria-Trail (AAT) ist eine 700 Kilometer lange Weitwanderung – Vom Gletscher in Österreich bis ans Meer nach Italien.
In 37 Etappen führt der Weg von der Franz-Josef-Höhe am Großglockner (Österreich) bis in die Nähe von Triest (Italien).  Durch die beeindruckenden Berge Kärntens, entlang der glasklaren Soča in Slowenien, bis an die azurblaue Adria bietet der Fernwanderweg ein unvergessliches Wandererlebnis.

Mit dem Zug geht es über Ulm nach Salzburg und von dort mit dem Railjet nach Mallnitz-Obervellach. Während der Fahrt denke ich viel darüber nach, was ich mir schon wieder eingebrockt habe. Ich war schon zwei Mal alleine in Südamerika, letztes Jahr bin ich den portugiesischen Jakobsweg gewandert und auch sonst bin ich gerne unterwegs. Trotzdem bin ich unendlich aufgeregt und unsicher was mich diesesmal erwartet. Es wird das erste Mal sein, dass ich ein Zelt auf einer Weitwanderung dabeihabe. Dementsprechend hat mein Rucksack mehr Gewicht, wie ich bisher gewohnt war. Gleichzeitig bin ich aktuell so unsportlich wie noch nie in meinem Leben. Perfekte Bedingungen also, um über 700 Kilometer zu wandern.

Umso näher ich meinem Ziel komme, umso kühler und regnerischer wird es. Ich bin froh die erste Nacht nicht im Zelt, sondern in einer Unterkunft verbringen zu können. Vom Bahnhof Mallnitz- Obervellach geht es talaufwärts mit dem Postbus nach Heiligenblut. Die Wegstrecke, welche ich gerade in einer Stunde mit dem Bus zurücklege, werde ich die nächsten 5-6 Tage wieder zu Fuß zurückgehen. Von der Umgebung sehe ich an diesem Nachmittag nicht viel, es regnet ununterbrochen und der Nebel ist so dicht, dass man keine fünf Meter weit schauen kann.

In Heiligenblut angekommen, geht es für mich weiter zur Unterkunft. Ich werde herzlich empfangen und darf gleich mein Einzelzimmer beziehen. Nach der langen Anreise bin ich froh über eine warme Dusche und ein weiches Bett. Morgen geht es dann los, immer nach Süden Richtung Meer.

Heiligenblug – Döllach

Ich wache früh auf und schaue zuerst aus dem Fenster. Es regnet in Strömen. Perfekte Bedingungen also, um eine mehrwöchige Weitwanderung zu starten.

Der offizielle Start des Alpe-Adria-Trails ist an der Franz-Josef-Höhe (Großglockner) auf 2.369 Metern. Das Wetter wird den ganzen Tag regnerisch bleiben und der Nebel ist sehr dicht. Ich bin mir unsicher, ob ich es mir zutraue bei diesem Wetter noch höher in die Berge zu steigen.

Während des Frühstücks spreche ich mit den Besitzern der Unterkunft und sie empfehlen mir, erst einmal talabwärts zu wandern. Wenn sich das Wetter in einigen Tagen gebessert hat, kann ich immer noch mit dem Postbus zurückkommen und die „offizielle“ erste Etappe nachholen.

Also wird mein persönlicher Alpe-Adria-Trail-Startpunkt in Heiligenblut sein. Ich ziehe meinen Regenponcho über, nehme meine Wanderstöcke in die Hand und los geht es. Nach einigen Metern entdecke ich gleich mein erstes Alpe-Adria-Wanderzeichen, davon werden in den nächsten Wochen noch einige folgen…

Im Dauerregen geht es über kleine Pfade und durch nasse Wiesen. Meine Ausrüstung und das Rucksackgewicht sind noch ungewohnt. Durch den Nebel sehe ich immer nur einige Meter weit. Den Wasserfall auf der anderen Seite des Tals kann ich nur hören, gesehen habe ich davon heute nichts.

Der Weg führt mich immer wieder durch kleine Dörfer. Doch außer einem anderen Wanderer sehr ich heute keine Menschenseele. Trotzdem fühle ich mich von Anfang an wohl. Der Trail ist gut ausgeschildert und an Stellen an welchen ich mir nicht 100% sicher bin, hilft ein kurzer Blick auf die Alpe-Adria-Trail-App. Gegen Mittag bekomme ich Hunger, gerne würde ich mich an einer trockenen Stelle ausruhen und etwas essen. Doch weit und breit ist kein Unterstand in Sicht. Also laufe ich weiter, mittlerweile sind meine Schuhe komplett durchnässt und meine Hände sind eiskalt. Ich bin froh, als ich neben dem Pfad einen offenen Unterstand entdecke und beschließe meine Pause dort zu verbringen. Eine Sitzgelegenheit gibt es leider nicht, dafür einen Traktor-Anhänger der sich perfekt zum Aufhängen meiner nassen Sachen eignet.

Gut gestärkt und etwas aufgewärmt mache ich mich auf die letzten Kilometer für heute. Es geht wieder einen Fahrweg entlang, bevor die Etappe in der Ortsmitte von Döllach endet. Nach einer kleinen Besichtigungstour durch das Dorf, geht es für mich noch schnell zum Supermarkt. Anschließend laufe ich an der Straße entlang und erreiche meine Unterkunft für heute. Da es auch diese Nacht regnen soll, habe ich mich dazu entschieden nochmals in einem Gasthaus zu übernachten und das Zelt im Rucksack zu lassen. Wieder werde ich freundlich empfangen. Ich bekomme ein riesiges Apartment für mich allein und Zeitungen, um meine Schuhe auszustopfen. Meine restlichen Kleidungstücke verteile ich im Bad zum Trocknen. Damit habe ich den ersten Tag auf meiner Weitwanderung erfolgriech geschafft, es werde noch einige folgen…

Döllach – Mörtschach

Am nächsten Morgen starte ich gut gelaunt mit einem ausgiebigen Frühstück in den Tag. Der Himmel ist immer noch bewölkt, aber nach Regen sieht es nicht aus. Heute steht nur eine kurze Etappe mit ca. 10 Kilometern an. Der Weg führt mich talabwärts immer an dem Fluss Möll entlang.

Ich mache einen kleinen Abstecher zum Gartlwasserfall. Unter der Woche sind fast keine anderen Besucher dort und ich genieße es einfach auf einer Bank zu sitzen. Der restliche Weg geht vorbei an Kuh- und Schafwiesen. Ein Großteil der Etappe führt über den Glockner-Radweg und Asphalt. Obwohl die Etappe heute nicht lang ist, bin ich froh anzukommen. Das Wetter hat mittlerweile aufgeklart, doch es geht immer noch ein kühler Wind.

Heute möchte ich das erste Mal zelten. Es ist nicht nur die erste Nacht draußen auf meiner Weitwanderung, sondern allgemein das erste Mal, dass ich alleine in einem Zelt übernachte. In Mörtschach auf dem Campingplatz angekommen, suche ich mir einen passenden Fleck und stelle mein Zelt auf. Die Handgriffe sind noch ungewohnt und der Wind macht dem Aufbau nicht einfach. Aber schließlich schaffe ich es und das Zelt steht. Gegen Abend wird es merklich kühler. Mit langer Hose, Socken und Fleece-Pulli kuschle ich mich in meinen Schlafsack.

Mörtschach – Materle

Die Nacht war gut und nachdem die Sonne auf mein Zelt scheint, wird es auch schnell warm. Auf dem Campingplatz kann man Eier von den Hofeigenen Hühnern kaufen. Das Angebot nehme ich gerne an. Mir ist aufgefallen, dass morgen Feiertag sein wird und es unterwegs keine Einkaufsmöglichkeit mehr gibt. Also werden während des Frühstücks die zwei Eier hartgekocht und somit mein Proviant aufgestockt.

Der Trail führt heute fast nur bergauf. Mit jeder Kurve wird die Aussicht besser und ich genieße den strahlenden Sonnenschein. Nach einigen Kilometern führt der Weg auf einen kleinen Pfad im Wald. Es geht steil bergauf, sobald ich stehen bleibe krabbeln Ameisen meine Beine hinauf, also bleibt nur weiterwandern. Über Wurzelwege geht es immer höher und der Weg wird immer steiler. Ich bin froh, meine Wanderstöcke dabei zu haben. Irgendwann sehe ich über mir einen Fels-Abschnitt. Also heißt es: Wanderstöcke an den Rucksack packen und weiter. Gar nicht so einfach, sich mit dem schweren Rucksack an dem Stahlseil entlang zuhangeln. Oben angekommen, ruhe ich mich erstmal auf einer Pausenbank aus bevor ich mich auf die letzten Kilometer nach Stall mache.

Am späten Mittag treffe ich in dem kleinen Bergdorf ein. Die Besitzerin vom Alpengasthof Materle begrüße mich herzlich und ich kann gleich auf mein Zimmer. Ich fühle mich hier sofort wohl. Der Gasthof hat einen tollen Ausblick über die umliegenden Berge. Die Zimmer sind einfach, aber urgemütlich eingerichtet. Am Abend treffe ich noch vier weitere AAT-Wanderer. Einer davon möchte auch den ganzen Weg nach Italien gehen. Da wir die nächsten Tage die gleichen Etappenziele haben, werden wir uns sicher noch öfter über dem Weg laufen.

Materle – Stall

Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es am nächsten Morgen bei strahlendem Sonnenschein weiter. Hoch oben in den Bergen führt der Weg über Kuhweiden. Jetzt im Juni blühen alle Blumen in den buntesten Farben. Dauern muss ich stehenbleiben um Fotos zu machen. Obwohl heute Feiertag ist, begegne ich außer den anderen AAT-Wanderern fast keinen Menschen. Der Weg führt immer weiter talabwärts. Dort unten spürt man deutlich die schwüle Sommerhitze und ich bin froh in Stall anzukommen. Auch hier gibt es keinen Campingplatz, deshalb habe ich mir ein kleines Apartment gemietet. Die Besitzer warnen mich gleich vor, sie haben im Haus einen Marder entdeckt. Direkt vor meinem Fenster steht eine Lebend-Falle. Früh am nächsten Morgen höre ich es draußen klappern und ein Marder ist eingefangen. An schlafen ist nicht mehr zu denken, weil das kleine Tier doch ordentlich Krach macht.

Stall- Fraganter Schutzhaus

Nachdem es gestern bergab ging, geht es heute wieder bergauf. Die Fraganter-Schutzhütte ist mein Tagesziel. Zuerst heißt es aber, Vorräte im Supermarkt auffüllen. Da es am Nachmittag gewittern soll, laufe ich zügig los. Der Weg führt wieder einmal steil nach oben. Zuerst auf Asphalt und dann auf Forstwegen. Ein zwei Stellen fließt ein kleiner Wasserfall den Berg hinab, dass Wasser läuft dabei direkt über den Weg. Trotz aller Bemühungen werden meine Schuhe und Füße nass. Da ich keine Lust habe mir trockene Socken aus dem Rucksack zu kramen, laufe ich mit nassen Füßen weiter… ein Fehler wie ich später noch bemerken werde.

Die Strecke ist in der App als „schwer“ gekennzeichnet und so langsam merke ich, dass es anstrengen wird. Der Himmel beginnt sich zu verfinstern und genau in diesem Moment taucht ein abschüssiger Hang vor mir auf. Der Weg führt hier über umgefallene Baumstümpfe und durch dichtes Gestrüpp. Der Boden besteht nur aus losem Geröll und rechts geht der Hang einige Meter nach unten. Abrutschen möchte ich hier wirklich nicht. Stück für Stück kämpfe ich mich mit meinen Wanderstöcken voran. Zwischenzeitlich sehe ich keine Markierungen mehr, also klettere ich weiter über Baumstämme, um wieder auf dem Trail zu landen.

Eigentlich wollte ich an der Goldberghütte eine Pause einlegen, meine Laune ist aber auf dem Tiefpunkt und hinter mir türmen sich die Regenwolken auf. Also laufe ich weiter und will nur noch schnellstmöglich ankommen. Auf den letzten Kilometern fängt es leicht an zu regnen. Zusätzlich merke ich, dass ich an beiden Fußsohlen Blasen bekomme. Jetzt muss ich doch noch meine trockenen Socken aus dem Rucksack suchen und gleichzeitig noch die Blasenpflaster auspacken. Genervt stampfe ich weiter durch den Wald. 20 Minuten später hört der Regen auf und unter dem Poncho wird es mir schnell zu warm. Also wieder anhalten und alles im Rucksack verstauen. Ich bin unendlich erleichtert, endlich am Fraganter-Schutzhaus anzukommen. Da hier noch Vorsaison ist, sind von den 100 Betten heute Nacht nur zwei belegt. Nach einer nicht so warmen Dusche, freue ich mich umso mehr über die Käsespätzle und falle todmüde ins Bett.

Fraganter Schutzhaus – Flattach

Der nächste Morgen begrüßt mich mit Sonnenschein und einem strahlenden Bergpanorama. Der Weitwanderweg führt von Beginn an über Geröll bergab. Meine Knie und meine Blasen finden das überhaupt nicht lustig. Ich bin richtig froh, als der Trail flach an der Straße entlangläuft. Die Etappe ist heute nicht wirklich lang. Trotzdem merke ich, dass mein Körper müde ist. Deshalb werde ich morgen einen Ruhetag einlegen.

Endlich in Außerfragant angekommen führt mein erster Weg zum Supermarkt. Morgen ist Sonntag, also muss ich etwas mehr Essen einkaufen. Genauso lange wie der Einkauf gedauert hat, dauert es auch die Sachen im Rucksack zu verstauen. Danach ist auch wirklich jeder Zentimeter von meinem 55 Liter Rucksack ausgenutzt. Mit einem schweren Rucksack und bei Hitze geht es für mich weiter zum Campingplatz nach Flattach. Die letzten Kilometer kommen mir ewig vor. Bei jedem Schritt schmerzen meine Blasen mehr und bald humple ich nur noch die Straße entlang. Endlich angekommen, will ich nur noch mein Zelt aufbauen und ausruhen. Auch hier windet es wieder stark und die Heringe wollen einfach nicht im Boden halten. Zum Glück habe ich nette Campingnachbarn die mir ihren Hammer leihen. Damit ist die erste Woche meiner Weitwanderung geschafft! Für mich heißt es jetzt noch duschen, essen und morgen den Ruhetag genießen. 

Teil 2 meiner Weitwanderung auf dem Alpe-Adria-Trail

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